Wen Gott ruft
10. März 2023
Neues koptisch-orthodoxes Frauenkloster in Nieheim
(© Klosterlandschaft OWL Ausgabe 2023)
In einem warmen Braun strahlen ihre Augen den Besucher an, während Sr. Damiana vor der Tür ihres Domizils die Gäste willkommen heißt. Die in ein graues Habit gekleidete Novizin ist die erste Bewohnerin des neuen Nonnenklosters im ehemaligen „Weberhaus“ in Nieheim. Denn wovon deutsche Klostervorsteher nur träumen können, weil viele Konvente wegen Überalterung für immer ihre Türen schließen, ist in der KoptischOrthodoxen Kirche Realität: Sie muss sich um Nachwuchs in ihren Klöstern keine Sorgen machen. Und nicht nur das: Sie gründet gar neue Häuser.
Glückliche Fügung und Gottes Entscheidung
„In meiner Heimat ist es sehr schwer für Christen“, sagt Sr. Damiana. Geflohen über Frankfurt nach Berlin, wo sie auch Bischof Anba Damian kennenlernte, gelangte sie nach Nieheim. Aus der sonnigen Mittelmeermetropole ins kühle Deutschland. Aus dem großstädtischen Berlin ins Ostwestfälisch-Ländliche. „Ich betrachte meinen Weg nach Deutschland als glückliche Fügung und Gottes Entscheidung“, sagt sie mit diesem ganz besonderen inneren Leuchten, das ihr zu eigen ist. „Indem ich etwas aufgegeben und mich von Dingen gelöst habe, fand mich etwas Höheres.“
Dem inneren Ruf gefolgt
Sr. Damiana ist eine zugewandte und überaus lebendige, aber zugleich zurückgenommen agierende Frau. Was nicht darüber hinwegsehen lässt, dass die Novizin mit dem zumeist von einem zarten Lächeln umspielten Antlitz genau weiß, was sie will. Zu großen Worten verleitet es sie deswegen aber nicht – sie vermittelt vielmehr das Bild einer in sich ruhenden, mit sich selbst und den Mitmenschen in Frieden Lebenden. Bereits im Alter von 13 Jahren wollte die aus Alexandria in Ägypten stammende junge Frau Nonne werden; absolvierte dann aber zunächst erfolgreich ein Studium der romanischen und griechischen Kunstgeschichte.
„Ich habe das weltliche Leben in jenen Jahren nicht als falsch empfunden. Ich habe viele lohnende Erfahrungen gemacht, aber es war nicht mein Weg“, analysiert sie sich selbst. Der Wunsch nach einem Leben für und mit Gott war auch nach ihrem Studienabschluss geblieben. „Das war nicht aus einer momentanen, kindlichen Laune heraus. Ich fühlte mich angezogen von einem Leben ganz für Gott. Ich mag meinen Gott, er hat mir so viel gegeben“, sagt Sr. Damiana mit tiefer Überzeugung. Und diese Überzeugung mündete in ihre Entscheidung, Nonne zu werden und das Noviziat zu beginnen.
Sie schätzt das ruhige Umfeld Nieheims nach den lebhafteren Zeiten, die kurzen Wege in der Stadt, dass man sich kennt. Rückzug, Gebet, Arbeit und dennoch nicht abgeschlossen von der Welt, erachtet sie sich dazu ausersehen, hier kraftvoll zu wirken.
Voller Gottvertrauen, sehr klar und strukturiert, gestaltet sich ihr Tag. Zumeist alleine, mehrmals wöchentlich aber unterstützt von Helfern aus dem Mutterkloster Brenkhausen, erprobt sich die Novizin im Unterricht und Gebet, in der Mitarbeit und im Mitleben des klösterlichen Tagesablaufs. Eine persönliche geistliche Begleitung trägt zur Klärung ihrer Berufung bei: So besuchte Sr. Damiana als erstes Äbtissin Sophia Schwede OSB in Herstelle, und Bischof Anban Damian ist regelmäßig in Nieheim. Zum Austausch und Gespräch, vor allem aber auch, um in der kleinen Kapelle, durch deren kunstvoll ausgestaltete Buntglasfenster sich farbig das Sonnenlicht bricht, die Liturgie zu feiern.
Aufbruch und Orientierung
Noch ist es ohne Namen, das neue Kloster. Was es aber bereits jetzt ist: voller guter Gedanken. Eine spirituelle Heimat. Ein Ort für jeden, der Zuflucht braucht – sei es eine innere oder äußere. Es bietet leibliche Nahrung genauso wie auch geistiggeistliche. Ohne jeden Missionseifer zelebriert seine erste Bewohnerin gelebte Gastfreundschaft. Getragen von ihrem Glauben und der Gemeinschaft folgt die Novizin ihrem Ruf. Bald sollen weitere Ordensfrauen einziehen.
Aufbruchstimmung statt Stillstand. Verzicht statt Konsum. Versenkung statt Äußerlichkeit. Demut statt Selbstgefälligkeit. Ein zukunftsweisender Ort der Begegnung. Und eine Frau, die zeigt, wie einfach – in jeglicher Hinsicht – Leben sein kann.
Koptische Christen im Kreis Höxter
Einst Heimat von Zisterzienserinnen und Benediktinerinnen, haben in den zurückliegenden drei Jahrzehnten die koptischen Christen das monastische Erbe in Brenkhausen übernommen und das Kloster in dem kleinen Dorf im Kreis Höxter bundesweit bekannt gemacht. Spiritus rector: Bischof Anba Damian. Ein Mann, den jeder kennt, Dreh und Angelpunkt im langen Prozess des Wiederaufbaus. Inzwischen sind die behutsam renovierten Gebäude ein beliebtes Ziel für Reisegruppen und Tagungsgäste und dienen zudem als ökumenische Begegnungsstätte.
Nun sorgte der umtriebige Bischof dafür, dass die Klosterlandschaft OWL um eine Facette reicher wird. Nicht nur, dass im Februar im koptischorthodoxen Kloster Brenkhausen die erste Novizin eingekleidet wurde. Zudem soll in Nieheim ein Nonnenkloster der Kopten gegründet werden. Das Haus, das als zentrale Unterbringungseinheit des Landes NordrheinWestfalen für bis zu 180 Flüchtlinge genutzt wurde und dann lange Zeit leer stand, war 2018 von der koptischen Gemeinde erworben worden und zunächst als Ausbildungsstätte vorgesehen. Nun soll das sogenannte „Weberhaus“ die Niederlassung von „Damiana“, so der Ordensname der Anwärterin, werden.
Darüber hinaus ist geplant, das Gebäude zur „Residenz“ des Oberhaupts der koptischorthodoxen Kirche, Papst Tawadros II., auszubauen.
Anba Damian wirkt neben seiner Funktion als Abt des Klosters der Heiligen Jungfrau Maria und des Heiligen Mauritius in Brenkhausen auch als Diözesanbischof von Norddeutschland für die Ökumene und im öffentlichen Leben. Der als engagierter Vertreter der koptischorthodoxen Kirche geltende Damian unterstreicht die ökumenische Ausrichtung des koptischen Klosters: So arbeite man etwa mit der katholischen Gemeinde auf der Klosteranlage eng zusammen, ebenso mit den evangelischen Landeskirchen von Westfalen und Lippe. Eigenen Angaben zufolge zählt die KoptischOrthodoxe Kirche ist in Deutschland rund 20.000 Mitglieder.