Statt Lourdes jetzt Brenkhausen

Eine besondere Pilgerreise: Mediziner Volker Eissing aus Papenburg mit 55 Schwerstkranken unterwegs

Westfalen-Blatt vom 10.08.2022
Von Roman Winkelhahn

 

HÖXTER/BRENKHAUSEN (WB).
Volker Eissing ist Hausarzt, einer der wenigen im Emsland im westlichen Niedersachsen. Die Stadt Papenburg, wo Eissing eine Praxis mit mehr als 100 Mitarbeitern betreibt, ist medizinisch strukturell unterversorgt. So wie der Kreis Höxter bald auch. Dafür gibt es dort ein großes Schiffbauunternehmen, die Meyer Werft, und viele kleine Kanäle.

Mit 61 Jahren zählt Volker Eissing zu den jüngeren niedergelassenen Ärzten im Emsland. Überregionale Bekanntheit erlangte er Anfang des Jahres 2020 mit einer viel beachteten Reportage des NDR über die Versorgung von Corona-Patienten in seiner Praxis. Eissing erledigt – trotz oder gerade dank vieler helfender Hände – das meiste noch selbst. Beispielsweise fährt er zu einigen seiner Patienten nach Hause – oft zu denen, die kaum noch eine Chance gegen ihre Krankheit haben. Eissing ist auch Palliativmediziner. Einmal im Jahr besucht er mit einer Gruppe seiner schwerstkranken Patienten das koptische Kloster in Brenkhausen. Bischof Anba Damian nimmt sie hier als Pilger auf, nicht bloß als Gäste, wie er selbst betont – und das bereits seit 2016, mit zwei Jahren pandemiebedingter Unterbrechung.

„Früher sind wir noch gemeinsam nach Lourdes gefahren, doch das hat tausend Euro pro Person gekostet“, erzählt Eissing. Die Wallfahrtsstätte Lourdes liegt im Süden Frankreichs. Eine Zeit lang konnte man diese Reisen – vor allem für Patienten mit wenigen Rücklagen aus dem Krankenfonds der Diözese Münster bezahlen. Diese Unterstützung, so Eissing, habe allerdings ein Ende gefunden, als man in Münster feststellte, dass die Papenburger als Mitglieder der Diözese Osnabrück nicht mehr berechtigt sind, diese Gelder zu erhalten. „Also haben wir alle Klöster in ganz Deutschland angeschrieben und um Preisangebote gebeten.“ Nur zwei haben sich zurückgemeldet, erklärt Eissing mit einem Schulterzucken. Eine der Rückmeldungen kam von Bischof Damian: „Ein traumhafter Preis“, erinnert sich Volker Eissing – „fünf Tage Vollverpflegung, inklusive Busfahrt und Programm.

Mit 55 Menschen ist der Hausarzt aus Papenburg in diesem Sommer angereist. Einige von ihnen sind seine Patienten, andere sind Familienmitglieder – Töchter, Söhne, Ehepartner. Thema der Pilgerreise ist die Frage „Woher kommen wir und wohin gehen wir?“

Einmal im Jahr ist Arzt mit Patienten zu Gast

Natürlich fließen viele Tränen, erklärt Eissing. Es seien Menschen mit ihnen unterwegs, die würden das nächste Weihnachten nicht mehr erleben. „Menschen verlieren ihre Zuversicht und Hoffnung, wenn sie in einer solchen Situation sind“, so Eissing. Die gemeinsame Reise ins Kloster Brenkhausen, die kleinen Ausflüge ins Höxteraner Umland, gemeinsame Gottesdienste und Meditationen sollen den Patienten helfen, sich mit ihrer gesundheitlichen und familiären Lage auseinanderzusetzen.

Auch für den Hausarzt ist das nicht immer leicht: „Das Wichtigste, was sie als Arzt tun müssen, ist grundehrlich zu sein.“ Das führe zwar dazu, dass man die Patienten mit unangenehmen Wahrheiten konfrontieren muss – „und es fließen manchmal auf beiden Seiten Tränen“ –, doch eine solche Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit sei notwendig, um Mut zu gewinnen. „Es sind nur die biochemischen Prozesse in der Medizin“, erklärt Eissing und betont das ‚nur‘, „es gehören eben auch Hoffnung und Zuversicht dazu.“ Für Bischof Damian und das Team des Klosters sei der regelmäßige Besuch aus Papenburg eine „große Ehre“: „Wir betrachten es als Aufwertung des Klosters, all diese Menschen mit ihren persönlichen Geschichten hier beherbergen zu dürfen.“ Als Arzt wisse der Bischof sicherlich darum, „dass man manche im kommenden Jahr nicht wiedertreffen wird.“

Auf die Patienten, die mit Rollstuhl oder Rollator angereist sind, ist man in Brenkhausen nach intensiven Umbaumaßnahmen vorbereitete: Alle Orte im Kloster – die Schlafzimmer, die Sanitäranlagen, der Park oder der Speisesaal – sind für die Gäste barrierefrei erreichbar.