„Keine Toleranz, sondern echte Liebe!”

Koptisches Kloster in Höxter an der Weser feiert sein 25-jähriges Bestehen

(© Konradsblatt vom 17. Juni 2018)
Von Christoph Koitka

Koptische Christen leben nicht nur in Ägypten. Seit 25 Jahren renovieren Kopten in Höxter an der Weser ein altes Kloster – der folgende Artikel entstand in Zusammenhang mit einem Ortsbesuch beim Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Anba Damian.

Mit wehendem Gewand stapft der Bischof über die Klosterwiese. Seine Hand zeigt auf eine Stelle des weitläufigen Geländes, beschreibt einen Kreis: „Hier hätte ich gerne einen Fischteich!“ Zwischen den Obstbäumen auf der Wiese vor dem Kloster sollen außerdem bald Tiere grasen: Schafe vielleicht, oder doch lieber Alpakas? Normalerweise ist die Antwort für einen Bischof klar: Als oberster Hirte ist er natürlich eher für seine Schäfchen zuständig als für südamerikanische Kamele.

Gute Nachbarschaft

Der Generalbischof der Kopten in Deutschland ist nicht nur geistlich für sein Kloster in Höxter-Brenkhausen zuständig, wo er mit einem Mitbruder lebt. Auch bei der Gestaltung des Geländes ist seine Verantwortung gefragt. Zwei Landschaftsarchitektinnen, Wissenschaftlerinnen der örtlichen Fachhochschule, unterstützen das Kloster beim Umbau der Außenanlage. Die Pläne zur Aufwertung des Areals kommen zur rechten Zeit: In diesem Jahr feiern die Kopten hier ein Jubiläum.

Seit 25 Jahren ist die Gemeinde im Kloster in Höxter aktiv. Das im Mittelalter errichtete Gebäude wurde über die Jahrhunderte von Ordensfrauen der Zisterzienser und Benediktiner aufgegeben. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Kloster säkularisiert. Mittlerweile im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen, wollte die Landesregierung den verfallenen, denkmalgeschützten Gebäudekomplex zu Beginn der 1990er-Jahre loswerden. Die koptische Gemeinde kaufte drei stark sanierungsbedürftige Flügel des Klosters 1993 für den symbolischen Preis von einer Deutschen Mark.

Der vierte Flügel des Klosters beheimatet die katholische Kirche der örtlichen Gemeinde – in guter Nachbarschaft, wie auch mit den Bewohnern des Ortes. Auch deswegen muss ein wenig Wiese neben Fischteich und Alpaka-Weide frei bleiben, zum sonntäglichen Fußballspielen nach dem Gottesdienst.

Dorfbewohner helfen mit

Dort treten nämlich nicht nur Kopten vor den Ball: Mit Brenkhausen ist das Kloster eng verbunden. „Das ist keine Toleranz, sondern echte Liebe“, schwärmt Anba Damian. Die Zuneigung zeigt sich auch ganz handfest; Dorfbewohner haben ehrenamtlich die Zufahrt des Klosters gepflastert – „sogar alte Männer saßen da auf Knien“, erinnert sich der Bischof.

Nicht überall auf der Welt sind die Kopten so willkommen. Die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten war in ihrer langen Geschichte oft Anfeindungen ausgesetzt. Nach dem Sturz von Diktator Hosni Mubarak 2011 wurde die Lage für Ägyptens Christen seit der Herrschaft der Muslimbruderschaft wieder zunehmend prekär. Immer wieder verüben Islamisten Anschläge auf Kopten mit teils Dutzenden Toten. Für Deutschland weiß Damian nur von vereinzelten negativen Vorfällen zu berichten, etwa einer Brandstiftung an der koptischen Kirche in Berlin im Jahr 2014. Im Grunde fühlten sich die 12 000 Kopten in Deutschland aber wohl.

Zuweilen hilft auch Alkohol bei der Völkerverständigung, wie eine Episode aus dem Jahr 2001 zeigt: „Nach dem 11. September war ich im Zug unterwegs“, erzählt der Bischof. Eine Gruppe junger Männer habe ihn wegen des langen Rauschebarts angesprochen: „Hey, Osama bin Laden, was hast du denn da in deinem Koffer?“ Außerdem hätten sie ihm Bier angeboten – wohl als Provokation in der Annahme, einen Muslim vor sich zu haben.

„Als ich dann einen Schluck aus der Dose genommen habe, waren sie erstaunt und neugierig.“ Nach einem langen Gespräch und einem gemeinsamen Foto lud Damian die jungen Erwachsenen, ins Kloster nach Höxter ein – zum Besuch ist es aber bis heute nicht gekommen.

Dabei lohnt der sich durchaus: In den 25 Jahren hat sich dort einiges getan. Der Anfang war nicht leicht: „Wir hatten nichts“, erinnert sich Anba Damian. Kaum angekommen, mussten die Kopten nicht nur ihr neues Kloster renovieren, sondern dabei auch die strengen Auflagen der Denkmalschutzbehörde beachten. Die Gebäude waren unter anderem als Ställe genutzt worden und in dementsprechend schlechtem Zustand. Heute erinnern neben alten Fotos nur noch einige bewusst unrenovierte Stellen im Kloster daran, wie es dort früher einmal ausgesehen hat.

 Viel Eigenleistung

 „Wir haben 95 Prozent der Arbeit selbst erledigt“, berichtet Anba Damian stolz. Aus Ägypten wurden eigens koptische Lehmbau-Experten eingeflogen. Der Lehmputz bekam dann einen Kalkanstrich – „mit Quark aus dem Supermarkt“, wie der Bischof erzählt. Türen, Wände, 140 selbstgeschreinerte Sprossenfenster, dazu Leitungen für Wasser, Gas und Strom – all das fehlte noch beim Einzug.

Als große Hilfe sollte sich wieder ein neuer Nachbar aus Brenkhausen erweisen: Der Tischlermeister Anton Beiner ging in den Ruhestand, als die Kopten die symbolische Mark überwiesen. Eine glückliche Fügung, denn der Handwerker hatte noch keine Lust, sein Werkzeug endgültig an den Nagel zu hängen.

Der mittlerweile über 80-Jährige und die anderen Brenkhausener sind besonders herzlich eingeladen, wenn die koptische Gemeinde im Sommer ihr Jubiläum feiert. Es ist nicht zu erwarten, dass danach auf dem Klostergelände Ruhe einkehrt: Der umtriebige Bischof Damian hat immer neue Pläne für seine Gemeinde. Und erst einmal müssen ja noch die Schafe auf dem Gelände des Hirten einziehen – oder eben Alpakas.

INTERVIEW: Benjamin Lassiwe

„Mit viel Gottvertrauen“

Fragen an den koptisch-orthodoxen
Bischof Anba Damian

Die Kopten in Deutschland feiern das 25-jährige Bestehen ihres Klosters in Höxter. Das Kloster im Stadtteil Brenkhausen ist Sitz des koptischen Bischofs von Norddeutschland, Anba Damian. Im Gespräch mit der Ökumenischen Information der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußerte er sich zur Entwicklung der koptischen Gemeinden in Deutschland und ihre ökumenischen Beziehungen.

KNA: Bischof Damian, wie geht es den Kopten in Deutschland?

Anba Damian: Wir sind sehr dankbar und glücklich, hier sein zu dürfen. Wir genießen Schutz und Würde und eine enorme Beliebtheit. Wohin wir auch kommen, warden wir als spirituelle und kulturelle Bereicherung gesehen. Wir werden ernst genommen und erfahren geschwisterliche Liebe, eine sehr bewundernswerte Aufnahme und Herzlichkeit. Wir haben nicht das Gefühl, dass wir als fremde Konfession behandelt werden — im Gegenteil, durch die Augen der anderen Konfessionen entdecken wir auch die Schönheit der eigenen Konfession in den eigenen Reihen.

Wie geht es koptischen Flüchtlingen in Deutschland?

In den letzten Jahren sind rund 6000 koptische Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Ein Teil von ihnen hat noch immer keine Anerkennung als Flüchtling. Diese Menschen leiden. Sie sind in der Ära von Präsident Mursiaus Ägypten geflohen und haben Asylanträge gestellt. Sie hoffen nun auf Stabilität und eine Verbesserung ihres Status — denn mittlerweile besuchen die Kinder Kindergärten, Schulen und Universitäten in Deutschland. Da möchte man schon wissen, ob man irgendwann mit einer gewissen Stabilität rechnen kann und einen Aufenthaltstitel erhält. Für uns als Kirche ist diese Situation momentan nicht einfach.

Was kann die Kirche für diese Menschen unternehmen?

Die Kirche ist für diese Leute eine zweite Heimat. Sie gibt ihnen Halt, Zuwendung, Seelsorge und Beratung in jeder Hinsicht. Sie leistet manchmal Hilfe, um die deutsche Sprache zu verbessern. Wir leisten finanzielle Hilfe, organisieren Übersetzungsdienste und Begleitung zu den Gerichten, zum Arzt oder der Behörde. Das sind immense Aufgaben, die wir zu leisten haben. Die Zahl und Intensität der Anrufe, die deswegen auch bei mir eingehen, übertrifft jede Vorstellung.

Wie viele Gemeinden und Priester haben Sie?

Schätzungsweise leben etwa 12 000 Kopten in Deutschland. Weil in den letzten Jahren rund 6000 Menschen dazugekommen sind, sind neue Gemeinden entstanden. Ich betreue ja die nördliche Hälfte Deutschlands — da habe ich etwa 18 Gemeinden. Im Süden ist Seine Exzellenz, mein Bruder Bischof Michael, zuständig und betreut die südliche Hälfte von Deutschland, die genauso groß sein dürfte. Bei mir habe ich sieben Mönchspriester, die die 18 Gemeinden betreuen.

“Wir hoffen immer noch auf unsere Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts … Unser Antrag ist schon seit vielen Jahren in Düsseldorf gestellt.”
Bischof Anba Damian

Wie schaffen Sie es, dass die Jugendlichen bei der Kirche bleiben?

Bei uns werden schon die Babys getauft, gefirmt und ihnen wird die Kommunion gegeben. Dadurch werden sie als kleine Pflanzen in die Gemeinschaft gepflanzt. Sie werden angenommen als vollständige Mitglieder der Gemeinschaft. Sie bekommen das Gefühl, dass sie willkommen sind und hier herzlich gern gesehen werden. Wir empören uns nicht, wenn sie schreien oder im Gottesdienst kommen und gehen. Dann gibt es sehr viel Sonntagsschulunterricht, wir machen sehr große Jugendtreffen — allein am letzten Wochenende waren hier 120 Jugendliche unter 18, die sich zum Gebet, zum Lernen liturgischer Melodien, zum Bibelunterricht, zur Freizeit und zu gemeinsamen Gottesdiensten und Aktivitäten hier getroffen haben. Das war eine un beschreiblich schöne Zeit.

Wo kommen Ihre Priester her?

Bisher haben wir nur Mönche, die in Ägypten ausgebildet wurden. Aus der zweiten und dritten Generation in Deutschland haben wir bislang noch keine Priesterkandidaten und auch keine Mönche. Darauf hoffe ich aber sehr, weil die deutsche Sprache und die Kultur absolut wichtig für einen erfolgreichen pastoralen Dienst in Deutschland sind.

Reicht es auf Dauer aus, die eigenen Geistlichen nur in Ägypten auszubilden?

Wir haben bei Seiner Exzellenz Bischof Michael eine Möglichkeit, dass junge Leute Theologie studieren können. Aber die Dozenten in Kröffelbach kommen alle aus Ägypten. Deswegen wird dort nur Ägyptisch und Koptisch gesprochen. Was wir dringend benötigen, ist die Einrichtung eines deutschsprachigen Instituts oder einer Fakultät an einer Universität.

Reden Sie darüber schon mit dem Staat?

Nein, denn wir hoffen immer noch auf unsere Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bis jetzt sind wir nur ein gemeinnütziger Verein und haben im Gegensatz etwa zu den Syrisch-Orthodoxen noch keine Anerkennung als Körperschaft. Es wäre mein Wunsch und mein Traum, zu unserem Jubiläum diese freudige Nachricht zu erhalten, nachdem wir so viele, lange Jahre gewartet haben. Wir würden uns freuen, wenn man der koptischen Kirche nach all den Jahren und all den Aktivitäten diese Anerkennung gibt. Unser Antrag ist schließlich schon seit vielen Jahren in Düsseldorf gestellt.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir keine Zeit damit verlieren dürfen, die Unterschiede zwischen den Kirchen zu betonen. Wir müssen viel mehr gemeinsam miteinander tun.“
Bischof Anba Damian

Wie haben Sie als koptische Kirche das Reformationsjubiläum 2017 erlebt?

Es war ein sehr bewegtes Jahr. Aber wir haben auch festgestellt, dass wir, obwohl wir sehr klein sind, bei unseren Schwesterkirchen ausgesprochen anerkannt sind. Wir wurden immer eingeladen zu den wichtigsten Veranstaltungen. Unser Wort zählt, unsere Meinung hat Gewicht. Wir wur- den als ehrwürdige, alte Kirche wahrgenommen und behandelt.

Was müsste sich in der Ökumene aus Ihrer Sicht verändern?

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir jetzt keine Zeit damit verlieren dürfen, die Unterschiede zwischen den Kirchen zu betonen. Wir müssen stattdessen viel mehr gemeinsam miteinander tun. Wir müssen unsere eigene konfessionelle Identität bewahren und zugleich die Brüder und Schwestern der anderen Kirchen stärken. Wir brauchen eine Form der Allianz zwischen den Kirchen und müssen die Themen, die uns gemeinsam beschäftigen, auch zusammen behandeln. Zum Beispiel die Mission in Deutschland. Das ist eine enorme Aufgabe, da könnten wir zusammen und unabhängig von unserer Konfession Hand in Hand miteinander arbeiten. Ich wünschte mir, dass man auch die verfolgten Christen mehr unterstützt, unabhängig von ihrer Konfessionszugehörigkeit. Denn das Leiden kennt keine Konfessionsgrenzen.

Weil wir von Mission sprachen: Haben Sie denn schon Deutsche getauft? Sind hierzulande schon Einheimische in die koptisch-orthodoxe Kirche eingetreten?

Natürlich habe ich schon Deutsche getauft: Menschen, die keiner Konfession angehörten und aus der ehemaligen DDR stammten, aber uns sehr verbunden waren.

Wie funktioniert das in Ihrer Kirche? Sie sind ja bislang stark ägyptisch geprägt …

Unsere Kirche ist eine universale Kirche, die weltweit vertreten ist. Wir haben sogar Geistliche aus anderen Nationalitäten: Einer unserer Metropoliten, Athanasios, ist zum Beispiel ein gebürtiger Franzose. Wir haben einen britischen Geistlichen, australische Bischöfe, Menschen aus Hawaii und Australien. Ägypten ist immer noch der Kern, aber wir sind eine universale Kirche.

Wie war das für Sie, als Deutsche kamen und von Ihnen getauft werden wollten?

Das kommt nicht plötzlich oder schlagartig. Wir sind auch nicht schnell bei der Entscheidung. Meistens ist es ein persönliches, langes Kennenlernen und eine Erfahrung, die dazu führt, dass wir der Überzeugung sind, jemand, der mit uns unter einem Dach lebt, der unsere Kultur kennt, der sich identifiziert mit der Lehre der christlichen Kirche — den kann man nicht immer von der Kommunion abweisen. Menschen, die Sehnsucht nach einem Abendmahl mit uns haben, muss man auch irgendwann aufnehmen.

Wie ist es bei Menschen anderer Konfession, die einen Kopten heiraten?

Papst Schenuda war 1992 von Kardinal Wetter nach München eingeladen. Damals erfuhr er, dass viele Kopten nicht zur Kommunion kommen, weil sie eine Ehe mit einer Katholikin oder einem Protestanten geschlossen haben. Dann hat er einige Maßnahmen angeordnet — zum Beispiel, dass man diese Menschen nicht umtaufen muss, sondern segnen kann. Man soll sie salben mit dem heiligen Öl, die vorhandene Ehe segnen und dann beide zur Kommunion gehen lassen.

Sie feiern in diesem Jahr 25 Jahre Kloster Brenkhausen. Welche Bedeutung hat das Kloster für Ihre Kirche?

Das Kloster ist in seiner Würde und Architektur einzigartig für die koptische Kirche weltweit. Wir haben in diesem Stil nichts Vergleichbares. Als wir es gegründet haben, war das Projekt nach allen Maßstäben zu groß für die koptische Kirche. Es hätte ein Finanzdesaster oder gar der Tod für die koptische Kirche in Deutschland sein können. Wir hatten damals keine Gemeinde hier, kein Geld, keine Kenntnisse der Denkmalpflege, wir wussten nicht einmal, wo Höxter überhaupt liegt. Aber mit sehr viel Gottvertrauen, wie bei einem Kind, das im Schoß seiner Mutter sitzt, fühlten wir uns wie im Schoß des Herren und fingen an zu arbeiten, ohne Finanzierungs- und Nutzungskonzept. Inzwischen haben wir hier ein Zentrum unserer Kirche, ein Zentrum der Ökumene und eine von Menschen aus ganz Deutschland genutzte Begegnungsstätte. Das Kloster ist inzwischen ein Wirtschaftsfaktor für den Kreis Höxter geworden …

Wie das?

Es kommen Pilger, Touristen, Besucher, die einen Tag oder eine ganze Woche in Höxter verbringen wollen. Es kommen Menschen, die an Seminaren teilnehmen, die ihren Besuch in Brenkhausen mit einem Besuch in Corvey verbinden. Die Menschen kommen zum Mittagessen hierher, möchten aber danach eine Weserschifffahrt machen. Es gibt durch Brenkhausen sehr viele Übernachtungen in den Hotels in Höxter und der Gastronomie in der Stadt. Wir haben Seminare der Militärseelsorge hier oder Seminare einer Krankenpflegeschule, Firmgruppen oder Konfirmandenfreizeiten. Die Vielfalt ist sehr groß. Das Haus ist immer voll, vor allem im Sommer.

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