Gewittersturm rast über Kaserne: Chaos beim Kommandeurs-Appell

27. September 2024

Sieben Verletzte – Zelt mit 150 Ehrengästen hebt ab – Feier wird abgesagt – Großeinsatz der Rettungskräfte
Westfalen-Blatt vom 27. September 2024)
Von Michael Robrecht und Kevin Müller

HÖXTER (WB). Es sollte eigentlich die feierliche Übergabe des Kommandeur-Postens in der General-Weber-Kaserne in Höxter werden – doch dazu kam es nicht. Ein heftiges Gewitter unterbrach die Feierlichkeiten abrupt. Sieben Personen wurden verletzt.

Oberstleutnant Michael Gorzolka (43) sollte an diesem Donnerstag (26. September) um kurz nach 15 Uhr nach drei Jahren in der Garnison das Kommando über das ABC-Abwehrbataillon 7 in Höxter an Oberstleutnant Michael Mosig übergeben. Dazu war (wie berichtet) ein Übergabe-Appell in der General-Weber-Kaserne angesetzt. 150 zum Teil prominente Gäste aus Behörden, Bundeswehr und Gesellschaft sowie viele hochrangige Soldaten und Reservisten nahmen Platz.

Gegen 15 Uhr begann der Appell. Die Kompanien waren angetreten. Die Blaskapelle Ovenhausen spielte „Preußens Gloria“. Der stellvertretende Kommandeur, Oberstleutnant Christian Krusemark, meldete seinem Chef das letzte Mal das angetretene Bataillon. Gorzolka aus Ovenhausen sprach davon, wie gerne er in seiner Heimatstadt Kommandeur gewesen sei. Der Himmel verdunkelte sich.

Noch während der scheidende Kommandeur Gorzolka im Regen wacker seine Rede hielt, zog plötzlich ein heftiges Gewitter mit Sturmböen und Blitzen vom Bielenberg kommend über die Kaserne: Starkregen flutete in Sekunden den Appellplatz, wo 600 Soldaten angetreten waren. Dann packte ein Starkwind das lange Zelt. Der Holzboden unter den Ehrengästen hob sich, die Zeltplane riss auf und flog in Sekunden davon. Unheimliche Kräfte waren am Werk. „Wir waren vom Tornado in Ovenhausen ja Schlimmes gewohnt, aber dieser Gewittersturm hier – mit uns mittendrin – war noch intensiver“, schilderte Elisabeth Gorzolka, die Mutter des Kommandeurs, dem WB die Situation.

Schreie, Verwirrung, Fassungslosigkeit: Die Gäste flüchteten ins Freie in den Wolkenbruch. Wie aus Eimern goss es. Sieben Personen wurden nach ersten Informationen des bisherigen Kommandeurs durch Trümmer verletzt. Unter anderem wurde der neue Kommandeur Oberstleutnant Michael Mosig von umherfliegenden Teilen am Auge getroffen. Weitere Gäste verletzten sich durch umherfliegende Zeltplanen und Metall. Einige wurden in einer Fahrzeughalle versorgt.

Ein Großalarm bei Feuerwehr, Polizei und Rettungsdiensten in Höxter, deren Chefs im Zelt saßen, folgte. Die komplette Veranstaltung wurde sofort abgebrochen, Verletzte sind geborgen und ins nahe Sanitätszentrum gebracht worden. Alle durchnässten Soldaten und Besucher, viele in Uniform, sammelten sich in einer für ein schönes Abschiedsfest dekorierten Halle.

Viele konnten das Erlebte nicht fassen. Nach einer halben Stunde gingen viele dann, um sich trockene Sachen anzuziehen. Oberstleutnant Michael Gorzolka dankte allen Ersthelfern. Er sagte seine Feier, auf die er sich so gefreut hatte und zu der sich überdurchschnittlich viele Gäste angemeldet hatten, ab. Essen und Trinken und die schön dekorierten Tische standen verlassen umher. Gruppen diskutierte, was sie gerade erlebt hatten. Der Hubschrauber flog zum Glück ohne Patienten davon.

„Zum Glück wurde niemand nach bisherigen Erkenntnissen schwer verletzt. Den Tag hatte ich mir ganz anders vorgestellt“, sagte ein sichtlich bewegter Oberstleutnant Michael Gorzolka und fuhr fort: „Wir hatten Glück im Unglück. Mein Dank sowie der meines Nachfolgers gilt der vielfältigen Unterstützung. Die Höxteraner Einsatzkräfte waren sofort da und haben alle versorgt. Wir haben in diesen schweren Minuten sehr eng zusammengestanden.“ Seine Soldaten retteten professionell Gäste, führten sie in Sicherheit und räumten dann Trümmer zusammen. Stühle mit Sitzplatzkarten standen wirr umher. Offiziere berieten, wie man das Geschehen nach Außen kommuniziert.

Wie haben die Besucher das Gewitter erlebt?

„Der Boden flog hoch, ich war plötzlich klitschenass. Die Zeltstangen hoben samt Zeltdach ab. Nach zwei Minuten war alles vorbei“, berichtete Höxters Vizebürgermeister Andrea Dangela.

Auch eine Delegation der Höxteraner Schützengilde war vor Ort, als das Unwetter über die Kaserne hereinbrach. „Der Regen kam wie eine Wand auf uns zu, die Sicht war gleich null. Dann wurden die Planen vom Wind erfasst, ehe das komplette Zelt aus den Angeln gehoben wurde. Wir haben uns abgeduckt, die Planen flogen über uns hinweg. Anschließend haben wir uns in der Halle hinter dem Zelt in Sicherheit gebracht“, berichtete ein Schütze der 4. Kompanie.

Jürgen Schmits, Leiter der Feuerwehr Höxter, lobte ebenfalls die Zusammenarbeit mit Polizei, Rettungsdienst und Bundeswehr. „Es ist eine super Zusammenarbeit. Die Feuerwehr übernimmt beim Einsatz strategisch die Organisation der Gefahrenabwehr, die Unterstützung verläuft hervorragend“, sagte Schmits, als der Regen langsam nachließ.

Ob der zunächst unklaren Anzahl an Verletzten trafen zahlreiche Rettungswagen schnell in der Kaserne ein. Auch ein Rettungshubschrauber landete. Fast alle Gäste waren durch die Sturzfluten komplett durchnässt. Der ganze Spuk dauerte nur wenige Minuten. Mittendrin im Unglück auch zwei WESTFALEN-BLATT-Redakteure.

Kommandoübergabe wird heute nachgeholt

Die Kommandoübergabe soll und muss bereits zeitnah nachgeholt werden. Am heutigen Freitag, 27. September, wird die Zeremonie in der Kaserne ablaufen.