Feierlicher Appell endet in Unglück mit 17 Verletzten
27. September 2024
Mitten in der Rede des scheidenden Kommandeurs Michael Gorzolka zerstört eine heftige Windböe das Festzelt für die Ehrengäste.
Es folgte ein Großeinsatz der Rettungskräfte in der Höxteraner Kaserne.
(© Neue Westfälische vom 27. September 2024)
von David Schellenberg
Höxter. Die tiefblauen Unwetterwolken näherten sich mit großer Geschwindigkeit, obwohl in den Wettervorsagen ab Mittag trockenes Wetter prognostiziert worden war. Entsprechend ging zwar von den Ehrengästen beim feierlichen Kommandeurswechsel in der General-Weber-Kaserne in Höxter der ein oder andere bange Blick zum Himmel. Wirkliche Sorgen machten sich die Ehrengäste aber nicht – sie saßen ja in einem langgezogenen Festzelt im Trockenen. Vielmehr galt der Respekt den etwa 300 Soldatinnen und Soldaten auf dem Appellplatz, die als ein unglaublich heftiger Starkregen einsetzte, trotzdem standhaft in Reih und Glied ausharrten.
Als die Ehrengäste begannen, im hinteren Teil des Zeltes Schutz vor dem Regen zu suchen und zugleich eine starke Windböe das Zelt erfasste, hob das Eisengerüst samt Bodenplatten ab. Menschen wurden herumgeschleudert oder von herabstürzenden Teilen getroffen und teilweise schwer verletzt. Wer konnte, suchte in der kurzzeitig sehr unübersichtlichen Lage Schutz unter Fahrzeugen oder in der naheliegenden Fahrzeughalle.
Nur Augenblicke später versuchte die Bundeswehr, die unübersichtliche Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen, immerhin sind alle Soldaten auch ausgebildete Ersthelfer. Bundeswehrsanitäter sowie medizinisches Personal in Reihen der Ehrengäste begannen mit der Versorgung der Verletzten, dazu wurde eine Sammelstelle im Sanitätsbereich der Kaserne eingerichtet. Auch der heftige Starkregen ließ schnell nach, es zeigte sich sogar kurz die Sonne.
Minuten später trafen die ersten Rettungs- und Notarztwagen in der Kaserne ein – die Kreisleitstelle in Brakel hatte vorsorglich einen „Massenanfall an Verletzten“ (MANF 10) ausgelöst. Auch ein Rettungshubschrauber landete kurze Zeit später mitten auf dem Appellplatz.
„Wir sind sehr dankbar, dass die Rettungskette so gut funktioniert hat“
Während die Bundeswehr begann, die Kompanien durchzuzählen, wurden die Ehrengäste, zu denen auch kirchliche Würdenträger sowie Landrat Michael Stickeln zählten, in eine große Halle gebracht, in der eigentlich nach dem Übergabeappell der Empfang stattfinden sollte. Nachdem schnell klar war, dass Gäste und Bundeswehrangehörige zwar schwere Prellungen und Schürfwunden erlitten hatten, aber wohl keine sehr schwer Verletzten zu beklagen sind, entspannte sich die Lage merklich. Der scheidende Kommandeur Michael Gorzolka, der aus Ovenhausen stammt, informierte die Besucher über die aktuelle Lage. Er zeigte sich sichtlich betroffen von dem Geschehen und gehörte auch selbst zu den Verletzten. Er war von der abhebenden Bodenplatte in die Luft geschleudert worden. Der Kommandeur dankte zuerst den zahlreichen Rettungskräften für die schnelle Hilfe und den Gästen für ihre Besonnenheit.
Auch Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann zeigte sich geschockt: „So etwas haben wir hier noch nicht erlebt.“ Wie auch Gorzolka zeigte er sich erleichtert, dass es nach ersten Erkenntnissen keine sehr schwer Verletzten gegeben habe. Das unterstrich auch der stellvertretende Wehrleiter des Kreises Höxter, Jürgen Schmits, der eigentlich als Ehrengast geladen war, aber als Leiter der Rettungswache unmittelbar nach dem Zelteinsturz die Rettungsmaßnahmen mit koordinierte und erste Absprachen mit der Leitstelle traf. Die Gesamtverantwortung für die Lage blieb aber bei der Bundeswehr. „Ich kann nur so viel sagen: Die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert.“ Das bestätigte am Abend auch ein Sprecher der Bundeswehr. „Wir sind sehr dankbar, dass es keine Schwerverletzten gibt und die Rettungskette so gut funktioniert hat.“
Die Polizei nahm vor Ort Ermittlungen auf – und hat mit dem auch leicht verletzten Höxteraner Polizeidirektor Christian Brenski, der ebenfalls als Ehrengast geladen war, sicherlich einen guten Augenzeugen. Das Zelt selbst wurde von der Bundeswehr schnell abgeräumt – schon zwei Stunden nach dem Unglück war in der Kaserne davon nichts mehr zu sehen.
Der Übergabeappell selbst wird nicht nachgeholt, informierte Gorzolka noch am späten Nachmittag – immerhin wurde auch sein Nachfolger, Michael Mosig, der aus Bayern stammt und zuletzt in Berlin eingesetzt war, leicht verletzt. Die formelle Übergabe soll am Freitagmittag in kleinem Rahmen stattfinden.
Viel Wasser auch an anderen Orten
Auch rund um die Kaserne wütete das Unwetter. Der Starkregen ließ in Höxter Regenrinnen in Rekordzeit überlaufen. Auch die Kreuzung Brenkhäuser Straße/Albaxer Straße stand nach Informationen der Polizei zwischenzeitlich unter Wasser.
Zudem warfen Sturmböen einige Bäume um. Unter anderem krachte ein abgeknickter Stamm bei Lüchtringen auf die Kreisstraße 46, wie Polizeisprecher Jörg Niggemann auf Anfrage der „Neuen Westfälischen“ berichtet.
Insgesamt spricht die Leitstelle der Feuerwehr kreisweit am Nachmittag von drei umgestürzten Bäumen und einem vollgelaufenen Keller. Schwerpunkt des kurzen und punktuellen Unwetters war aber das Stadtgebiet Höxter.
Persönliche Worte
Höxter ist auch Michael Gorzolkas persönliche Heimat. „Sie werden verstehen, dass dieser Augenblick für mich sehr schwierig ist. Loslassen, obwohl man nicht will, festzustellen wie schnell die wertvolle Zeit verrinnen ist, trotz allem Stolz auch mit Schmerz und Wehmut zurückblicken“, sagte der scheidende Kommandeur, bevor er seine Rede abbrach.