Ägypten-Reise 2022
PHILOXENIA-Begegnungsreise nach Ägypten
Auf den Spuren der Heiligen Familie und des Apostels Markus
19. – 27. September 2022
(Begleitung der Reisegruppe durch Bischof Damian, Höxter-Brenkhausen)
PHILOXENIA-Begegnungsreise nach Ägypten
Auf den Spuren der Heiligen Familie und des Apostels Markus
19. – 27. September 2022
(Begleitung der Reisegruppe durch Bischof Damian, Höxter-Brenkhausen)
Hans-Georg Link
I. Empfang von Papst Tawadros II. in Kairo
Es wird schon dunkel, als wir am Mittwochabend, 21. September, den päpstlichen Palast im Kairoer Stadtteil Abbassia betreten. Über eine breite Marmortreppe werden wir rund 20 Philoxenia-Besucher des Freundeskreises orthodoxer, katholischer und evangelischer Christen in den großen Audienzsaal auf der ersten Etage geleitet, den eindrucksvolle Kronleuchter zieren und eine trotz der Hitze fast zu starke Klimaanlage auszeichnet. Nach einer ziemlich langen Wartezeit, die wir uns mit Singen vertreiben, betritt Papst Tawadros II. (Theodor) gegen 20:00 Uhr mit kleinem Gefolge den Raum: ein großer, stattlicher Mann mit gebührendem Bart, randloser Brille und bischöflicher schwarzer Kopfbedeckung. Er heißt jede/n Einzelne/n von uns, die/der sich mit einem Satz kurz vorstellt, persönlich willkommen: „Welcome“, bevor er uns mit seiner Kirche kurz und prägnant bekannt macht.
Die koptisch-orthodoxe Kirche, die zu den altorientalischen Kirchen gehört, steht auf drei Säulen: die erste ist der Evangelist Markus samt seinem Evangelium, der nach der Überlieferung im Jahr 61 nach Alexandria gekommen ist und im Jahr 68 den Märtyrertod erlitten hat. Er gilt als Gründer der koptischen Kirche, die sich also auf das erste christliche Jahrhundert zurückführt und damit eine der ältesten christlichen Kirchen überhaupt darstellt. In koptischen Kirchen sind uns immer wieder die lebendigen Ikonenmalereien aufgefallen, die Szenen aus dem (Markus-) Evangelium äußerst bildkräftig vergegenwärtigen.
Als zweite Säule nennt Tawadros die Märtyrer der Kirche, deren lange Reihe mit ihrem Gründer beginnt. Zu ihnen zählen in altkirchlicher Zeit der heilige Menas (303 (?)+), Moses, der Schwarze, und Mauritius, der Anführer der thebäischen Legion, der in Europa womöglich bekannter ist als in Ägypten. Die koptische Zeitrechnung beginnt nicht mit Christi Geburt, sondern mit dem Regierungsantritt des römischen Kaisers Diokletian im Jahr 284, dessen Christenverfolgung von 303 bis 305 besonders viele Kopten zum Opfer gefallen sind. Über 300 Märtyrer sind aus dieser „Ära der Märtyrer“ im koptischen Heiligenkalender namentlich bekannt. Die Reihe koptischer Märtyrer ist damit jedoch keineswegs beendet, vielmehr reicht sie vorerst bis zu den 21 Märtyrern aus dem Jahr 2015 (s. u.).
Die dritte Säule des koptischen Christentums ist, so Tawadros, das Mönchtum. Sowohl das anachoretische als auch das koinobitische hat in Ägypten seinen Ursprung. Die Klöster des über 100 Jahre alt gewordenen Antonius (251-356), des Pachomius (288-348), und des Paulus (ca. 228 – ca.341) sind bis heute lebendige und zahlreich besuchte Orte koptischer Christen.
Papst Tawadros erläutert auch kurz sein Verständnis von Ökumene. Er fasst es unter vier Gesichtspunkten zusammen: An erster Stelle kommt es darauf an, sich in Liebe zu begegnen, ohne die eine Öffnung zueinander nicht gelingen kann. Zweitens muss man die Geschichte voneinander kennen, um den Partner verstehen zu können. Drittens braucht es Geduld und Ausdauer der Dialoge miteinander. Und viertens geht es darum, füreinander im Gebet vor Gott einzutreten.
Dank der Initiative unseres unermüdlichen geistlichen Leiters, Bischof Anba Damian, hat jede/r aus unserer Gruppe für die Erweiterung der päpstlichen Bibliothek ein oder mehrere Bücher eines großen Lexikons mitgebracht, was unseren Gastgeber sichtlich erfreut. Wir singen wie bei mancher anderen Begegnung „Großer Gott, wir loben dich“ und lassen uns „historische“ Fotos mit Papst Tawadros nicht entgehen, bevor er uns mit seinem apostolischen Segen entlässt. Das ägyptische Fernsehen ist ebenfalls zugegen, aber seine Bilder sollen erst ausgestrahlt werden, wenn unsere Besuchergruppe Ägypten wieder verlassen hat – auch das gehört zur Sicherheitsproblematik ausländischer Besucher in Ägypten.
Im weiteren Verlauf folge ich den drei von Papst Tawadros genannten Säulen, um die koptische Kirche zu beschreiben, die wir vom 19. bis 27. September 2022 besucht haben.
II. Das Evangelium (von Sankt Markus) in Ägypten
Im Jahr 1968, 1900 Jahre nach dem Martyrium des Markus, verfügte Papst Paul VI., Reliquien des heiligen Markus von Venedig, wohin sie im Jahr 829 entführt worden waren, nach Ägypten zurückzubringen. Heute sieht man am Markus-Schrein in der Krypta unterhalb der Markus-Kathedrale von Kairo auf einem Wandfresko die verärgerten und verbitterten Gesichter der Venezianer, die den Sarg des heiligen Markus auf ihren Schultern aus ihrer Heimatstadt hinaustragen müssen. Markus hat nach der Überlieferung das Evangelium den Ägyptern gebracht und wird als Gründungsvater der koptischen Kirche bis heute auf Ikonen dargestellt und verehrt.
Die Heilige Familie in Ägypten
Die wichtigste Episode des Evangeliums ist für Ägypter nach wie vor die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten und ihr Aufenthalt dort, von denen das Matthäus-Evangelium erzählt (2,13-15.19-23). An jedem 1. Juni preist die koptische Liturgie die Ankunft der Heiligen Familie in Ägypten mit den Worten: „Sei glücklich und freue dich, Ägypten und deine Söhne und deine Grenze, denn zu dir ist gekommen, der alle Menschen liebt, der da ist vor aller Ewigkeit.“ Es gibt wohl keine koptische Kirche in Ägypten, in der die Flucht nach Ägypten nicht ikonographisch vergegenwärtigt wäre. Dabei steht das in der Antike bekannte Bild des verfolgten Königskindes, des künftigen Erlösers mit Heiligenschein, im Vordergrund: meist wie ein Herrscher von seiner auf einem Esel sitzenden Mutter präsentiert, während Josef die Fluchtgruppe anführt, Fische im Nil spielen und Engel die drei Flüchtenden schützend segnen.
In Ägypten weiß man erstaunlich gut Bescheid über die Reise der Heiligen Familie im Land, am besten das Tourismusministerium, das die Aufenthaltsorte immer weiter nach Oberägypten zu verschieben versucht. In Kairo haben wir zwei Kirchen besucht, wo sich die Heilige Familie nach der Überlieferung aufgehalten hat: In Alt-Kairo nimmt in der Nähe der berühmten „hängenden Kirche“ die Kirche St. Sergius für sich in Anspruch, die Heilige Familie 6 Monate lang in ihrer Krypta beherbergt zu haben: “The Church of the Cavern“– die Höhlenkirche. In der Kirche „Zur Heiligen Familie“, ein ehemaliger römischer Tempel mit dicken viereckigen Mauern, soll sich die Heilige Familie nur 2-3 Tage aufgehalten haben. Sie liegt neben dem hochmodernen Gästehaus des koptischen Patriarchen, wo wir die vorletzte Nacht verbracht haben, auf einem hohen Felsen mit Blick auf den Nil. Aus einer der Säulen der Kirche ist ein altkirchliches Taufbecken herausgehauen und neben dem Eingang befindet sich die enge Kammer der Heiligen Familie.
Am Sonntag, 24. September, fahren wir nach der koptischen Liturgie in unserem hochmodernen Reisebus mit unserem hervorragenden Fahrer über Irrungen und Wirrungen 7 Stunden lang zum Marienkloster im oberägyptischen Deir el-Muharraq. Wie uns der jugendliche Bruder Lazarus bei erfrischenden Getränken in exzellentem Englisch erläutert, befinden wir uns hier in der Mitte Ägyptens, wo nach Jesaja 19,19 f ein Altar als Zeichen und Zeugnis für den Gott Israels steht. Bruder Lazarus berichtet uns, dass sich die Heilige Familie hier am längsten in Ägypten aufgehalten hat, nämlich 6 Monate und 5 Tage. Das Jesuskind sei zwischen 4 und 6 Jahren alt gewesen, als es hier spielend auf dem ganzen Gelände herumgelaufen sei, was zur Folge hat, dass heute das gesamte Areal heiliger Boden ist. Das Kloster wird auch „Zweites Bethlehem“ genannt.
Wir haben beim Aus- und Einsteigen in unseren Bus die Scharen von Besuchern gesehen, die täglich hierher kommen, um sich im Segen dieses Ortes zu sonnen. Hier, sagt Lazarus, hat Josef im Traum von einem Engel die Kunde erhalten, nach Israel zurückzukehren. In der Michaelskapelle des Turms aus dem 4. Jahrhundert, der auf dem Klostergelände nur über eine Zugbrücke in 5 m Höhe zu erreichen ist, feiern die Mönche täglich, besser: nächtlich von 2:30 Uhr an die Eucharistie – klein, eng, mit historischer Atmosphäre. Wir singen zum Abschluss in der größeren alten Kirche, wo man den Aufenthaltsort der Heiligen Familie vermutet: Laudate omnes gentes Dominum.
Die Athanasius-Kirche in Kairo
Gleich neben dem Markushaus, dem koptischen Gästehaus, in dem wir in Kairo untergebracht sind, erhebt sich der majestätische Turm der Athanasius-Kirche, die hier Ende der sechziger Jahre auf Wüstensand für rund 2000 Menschen gebaut worden ist. Als wir am Donnerstagabend schon bei Dunkelheit die Kirche betreten, begegnet uns drinnen zu unserer Überraschung reges Treiben. In der weitläufigen Kirche sitzen 3-4 Jugendgruppen mit großem Abstand voneinander in den Bänken zusammen mit ein bis zwei Erwachsenen, die sie unterrichten. Sie gehören zu der Sonntagsschulbewegung, die seit über 100 Jahren (1918) sich die geistliche und theologische Fortbildung von Jugendlichen zur Aufgabe gemacht und zusammen mit der Erneuerung des Mönchtums seit den sechziger Jahren zur „koptischen Renaissance“ geführt hat. Von Donnerstag bis Samstag Abend (!) kommen zahlreiche Jugendliche freiwillig und gern zur Sonntagsschule, zu der in dieser Kairoer Gemeinde rund 50 ausgebildete Laien-Lehrer gehören.
Sonntags beginnt um 6:00 Uhr morgens der große Eucharistie-Gottesdienst, der zweieinhalb Stunden bis 8.30 Uhr dauert. Er beginnt so zeitig, weil der Sonntag in Ägypten kein gesetzlicher Feiertag ist. Dennoch ist die riesige Kirche voll. Parallel dazu findet in der Unterkirche ein kürzerer Gottesdienst statt für Menschen, die schneller zur Arbeit gehen müssen.
Am Donnerstagabend stoßen wir im unteren Bereich der Kirche auf eine Gruppe junger Frauen, die gerade ihr Zertifikat in Englisch, Mathematik u. a. erhalten, um Kinder darin zu unterrichten, die nicht auf eine Schule gehen (können). Sie beklatschen Bischof Damian, der ihnen gleich eine launige Rede hält, bevor wir wieder gegenseitig füreinander singen. Der ganze überraschend große Kirchenbereich ist abends ein Treffpunkt für Jung und Alt. Auf der Sportwiese hinter unserem Markushaus neben der Athanasius-Kirche tummeln sich am Donnerstagabend bis gegen Mitternacht vor dem Freitagsfeiertag Hunderte junge Menschen zu Gemeinschaftsspielen, Fußball, Singen und Unterhalten. Das Ganze geschieht bei Neonbeleuchtung in friedlicher, freundlicher und fröhlicher Atmosphäre. Hier sehen und erleben wir eine junge und jugendliche koptische Gemeinde mit großer Anziehungskraft.
Vor dem Gästehaus des Patriarchats am Nil kommt nach dem Frühstück eine große Kindergartengruppe auf uns zu. Die rund 50 Kinder stellen sich auf und beginnen sofort lautstark und munter so lange für uns zu singen, bis Bischof Damian ihrem Sangeseifer schließlich ein freundliches Ende setzt. Sie singen, das merken wir, mit großer Hingabe offenbar keine einfachen Kinderlieder, und begleiten ihre Gesänge mit energischen Gesten, bei denen sich ein etwa sechsjähriges Mädchen in der ersten Reihe besonders hervortut. Wir sind beeindruckt und bedanken uns mit dem Kanon: „Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobt der Name des Herrn“, sowie mit kleinen Süßigkeiten. Im Bus erläutert uns Bischof Damian, was und wovon die Kinder gesungen haben: von ihrem Kirchenvater Athanasius, der für ihren Glauben in Nizäa gekämpft hat, den sie von ihren Vorfahren und Eltern empfangen haben und für den auch sie eintreten wollen. Das ist durchaus keine Indoktrination ihrer erwachsenen Begleiter, sondern die kämpferische Lage der koptischen Kirche im 80 bis 90-prozentigen Islamland Ägypten.
Das Begegnungszentrum Anafora
Die erste Nacht in Ägypten verbringen wir in der Anlage Anafora etwa 50 km westlich von Kairo. Nach quälend langsamer Abfertigung im Kairoer Flughafen setzt uns unser guter Busfahrer nach eineinhalbstündiger Autobahnfahrt und halsbrecherischer Anfahrt in stockdunkler Umgebung auf einem staubigen Weg vor einem Gebäude ab. Sofort erscheinen aus dem Nichts hilfreiche Personen, die uns im Haus zu einem schönen Abendessen bei Kerzenschein verhelfen und anschließend in kleine Ferienhäuser zum Übernachten mit Moskitonetzen begleiten. Am nächsten Morgen wachen wir bei strahlendem Sonnenschein auf, sehen das glasklare Wasser der Oase, genießen den Schatten von Palmen und Pinien, halten in einer Kapelle auf einer kleinen Insel unser Morgengebet und treffen anschließend Bischof Thomas, der uns Anlage und Idee dieses weitläufigen Zentrums erläutert.
Es ist vor rund 20 Jahren aus und auf Wüstensand entstanden. Es gibt kleine Gästehäuser für Besucher wie uns, eine Werkstatt zum Weben schöner Teppiche, die käuflich erworben werden können, ein Bildungshaus für Jugendliche ohne Schule, ein Haus der Begegnung für Gespräche sowie einen Meditationsort zum Besinnen und Beten. Auf dem Gelände gibt es vier Kirchen: die kleine Inselkapelle, eine Rundkirche mit einem Dach aus Zweigen für kleinere Feiern, eine größere Kirche aus Beton für Gottesdienste und Taizé-Gebete sowie eine tiefliegende halb versteckte moderne Kirche am Eingang bzw. Ausgang der Oase mit schönsten Ikonen aus dem Evangelium, die zum Schutz vor Überfällen in der Wüste so unscheinbar gebaut ist. Zwischen den weit voneinander verstreut liegenden Gebäuden gibt es Felder zum Anbau von Getreide und Gemüse für den Eigenbedarf. Die Anlage beherbergt Mönche, Nonnen, Familien, Jugendliche, Auszubildende und Erholung Suchende. Das Ganze ist ein spiritueller Begegnungsort für Menschen auf der Suche, ohne Beruf und Arbeit, Rückzugsort für Flüchtlinge, Erholungsgebiet für Gestresste und (Aus-)Bildungszentrum für Interessierte.
Bischof Thomas, der Leiter, hat dazu seine eigene Philosophie, besser: Theologie entwickelt. Er nennt es seine Vision: Jeder hier einkehrende Mensch ist ein Geschenk von Gott, kein Fremder. Jeder bringt Gaben und Begabungen mit. Jeder ist ein Ebenbild Gottes, das zum Vorschein kommen soll. Bischof Thomas sagt: Das Spirituelle ist das wahrhaft Menschliche. Jeder ist auch begrenzt, lebt aber nicht für sich allein. Das Wichtigste, das jeder braucht, ist eine Hand, die ihn hält. Diese Erfahrung machen die Menschen, die hier im Anafora-Zentrum zusammen leben. Wir fühlen uns in dieser schönen Oase mit ihrer schlichten Ausstattung und den hilfsbereiten Menschen gleich zu Hause, weil wir empfangen und angenommen werden.
Für den Abend hat sich Bischof Thomas noch eine Überraschung für uns ausgedacht. Wir werden in das ebenfalls neu gebaute Amphitheater zum Essen unter freiem Himmel eingeladen, zusammen mit Hunderten weiterer Gäste und Familien. Wir sitzen um eine kleine Insel mit Weltkugel herum, erfreuen uns an dem sie umspielenden Wasserring mit Fisch-Mosaiken auf dem Grund, werden an kleinen Tischen mit Köstlichkeiten verwöhnt und lauschen den Gesängen und Gitarrenklängen einer jungen Musikerin. Kleine Reden von Bischof Thomas und Damian gehören auch dazu. Dann werden wir deutschen Besucher wieder zum Singen eingeladen. Eine koptische Gesangsgruppe tritt ebenfalls auf. Es herrscht im ganzen Amphitheater eine wunderbare, gastfreundliche, gelöste Atmosphäre, wie ich sie nur äußerst selten erlebt habe. All das zusammen versteht Bischof Thomas unter „Spiritualität der Realität“, die Menschen in ihrem Dasein und Sosein aufnimmt und sie in eine Gemeinschaft des Leibes und Bildes Christi verwandelt: „Wir tragen das Kreuz, aber wir sind keine Opfer, vielmehr Sieger.“ „The big Us – das große Wir“! Anafora ist ein koptisches Vorzeigeprojekt, wie das Evangelium (des Markus) heute in Ägypten umgesetzt wird. Man kann dieses Anafora-Zentrum in der Wüste, ca. 50 km von Kairo entfernt, Einzelpersonen und kleinen Gruppen aus Europa zur Erholung, Entspannung und Besinnung nur empfehlen (E Mail: anafora@anaforaegypt.com).
Die koptische Liturgie
Am Sonntagmorgen um 6:00 Uhr nehmen einige von uns an der koptischen Liturgie teil. Die Kapelle auf der 3. Etage des Hotels, das zum Paulus-Kloster gehört, ist mit rund 200 Teilnehmenden ganz gefüllt, 2/3 mit Frauen, die rechts sitzen, die Männer links. An der Liturgie, die Bischof Damian teilweise für uns auf Deutsch hält, nehmen etwa zehn weitere Personen im Altarbereich aktiv teil, alle in weiß gekleidet, was einen erhebenden Eindruck macht. Das Zusammenwirken am Altar vermittelt von vornherein einen gemeinschaftlichen Geist, der auch in der Gemeinde spürbar ist: Sie beteiligt sich mit Körper, Seele und Geist stehend, sitzend, kniend, singend, klatschend, zuhörend und jubelnd. Beim Beten erheben sie teilweise die Hände in altchristlicher Oranten-Haltung.
Bischof Damian spricht das Hochgebet auf Deutsch. Da ist von der Freude des Paradieses die Rede, vom Anteilnehmen am Weg Christi, vom Zusammenführen des Geistes. Während der Epiklese neigen einige Männer kniend ihren Kopf bis auf den Boden, die altchristliche Form der Anbetung, die später von Moslems übernommen worden ist – nicht umgekehrt! Während der Kommunion, Brot und Wein getrennt, singt der Kantor mit leiser Zymbel-Begleitung. Wir empfangen anschließend das übliche Antidoron. Der ganze Gottesdienst ist ausgesprochen lebendig, mit eineinhalb Stunden zu schnell fertig, wie Bischof Damian meint, „protestantisch“ sagt er dazu.
Zum Schluss wird unsere Besuchergruppe der Gemeinde vorgestellt. Wir singen „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ und unser Philoxenia- Leiter, Msgr. Wilm Sanders aus Hamburg, sagt ein paar passende Worte. Beim Hinausgehen sehe ich eine Reihe behinderter junger Menschen auf dem Boden liegen; es ist gut, dass sie auch mitgefeiert haben. Ich staune, wie lebendig eine fast 2000 Jahre altchristliche Liturgie gefeiert und mit- vollzogen wird. Das Evangelium (des Markus) hat in der koptisch-orthodoxen Kirche Ägyptens heute zu einer Renaissance geführt!
III. Die koptischen Wüstenklöster
Das Wadi El Natrun liegt etwa 100 km nordwestlich von Kairo. Man gelangt dorthin über die sog. Wüstenautobahn von Kairo nach Alexandrien. Das 36 km lange und etwa 10 km breite Tal in der sketischen Wüste war schon den alten Ägyptern und Römern bekannt für seine Salzseen und das aus ihnen gewonnene Natron, das bei ägyptischen Mumifizierungs-prozessen eine wichtige Rolle spielt. Während der römischen Christenverfolgungen flohen viele Ägypter im 3. und 4. Jahrhundert hierhin, um unbehelligt leben zu können. Ursprünglich hatte es im Wadi 50 bis 60 Klöster gegeben. Heute sind es noch vier, die „bespielt“ werden und die wir alle besucht haben:
Aber nicht nur in der Wüste, auch in Kairo gibt es koptische Klöster. In Alt-Kairo haben wir das Nonnenkloster Sankt Georg besucht. Wir wurden dort mit ausgesuchter Gastfreundschaft von der Abtissin in Empfang genommen. Auf engstem Raum beherbergt das Kloster das Grab des heiligen Georg, einen tiefen Brunnen und einen überraschend grünen Kreuzgang in der Steinwüste der Großstadt.
Am Stadtrand von Kairo liegt das Kloster Patmos, das von 80 Diakonissen betrieben wird. Es engagiert sich sozial für behinderte Jugendliche und alte Menschen. Außerdem befindet sich auf seinem Gelände eine internationale Schule, die in englischer Sprache vom Kindergarten bis zum Abitur führt.
Schließlich liegen in der arabischen Wüste östlich von Kairo in der Nähe des Roten Meeres die ältesten Klöster Ägyptens. Dort haben wir das Antonius- und Paulus-Kloster besucht. Im Antonius-Kloster hat der Gründer des Mönchtums Antonius (251-356) rund 50 Jahre seines Lebens verbracht. Seit jener Zeit sprudelt eine Wasserquelle am Fuß des Galala-Felsplateaus und erhält die Oase am Leben. Die zahlreichen Mönche leben in einer dorfähnlichen Gemeinschaft, zu der auch ein Schatten spendendes Palmenfeld gehört.
Das etwa 25 km weiter südlich gelegene Paulus-Kloster verdankt seinen Namen Paulus von Theben, auch „Paulus der Einsiedler“ genannt. Die Anlage stammt aus dem 5. Jahrhundert; sie wirkt enger und altertümlicher als das später restaurierte Antonius-Kloster. Die eigentliche Klosterkirche befindet sich unter der Erde, wo Paulus in seiner Höhle gelebt hat. Daneben liegt ein Refektorium aus altchristlicher Zeit und gegenüber steht eine Jahrhunderte alte Getreidemühle und eine Ölpresse für den Lebensunterhalt.
Am Abend dieses Tages lassen es sich einige Mitglieder unserer Gruppe nicht nehmen, im warmen Wasser des Roten Meeres zu schwimmen. Der Meeresboden ist am Strand mit spitzen Steinen übersät, aber angenehme Wellen und seltener Wind tragen wohltuend zur Erfrischung bei. –
Was ist das Geheimnis der koptischen Klöster, die heute wieder in voller Blüte stehen? Sie kennen jedenfalls gegenwärtig keine Nachwuchsprobleme. Im Gegenteil! In jedem Kloster leben mindestens 100 Mönche, im Paulus-Kloster sind es mehrere Hundert. Genaue Zahlen habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Im Paulus-Kloster ist die Auswahl daher auch am strengsten. Viele Bewerber werden schon an der Pforte, andere nach Tagen, Wochen oder Monaten abgewiesen. Ein Mönch braucht in Ägypten eine abgeschlossene Berufsausbildung und Militärdienst, berufliche Erfahrung und möglichst auch Erfolg. Er soll sich freiwillig von seinem „guten“ weltlichen Leben trennen und nicht, um im Kloster ein „besseres“, Leben zu erhalten. Bischof Damian erläutert uns: „Wer in seinem weltlichen Leben keinen Erfolg hat, scheitert auch im klösterlichen Zusammenleben.“
Zweitens sind die Klöster in Ägypten für ihre soziale Ausstrahlung bekannt. Ihre Areale sind erstaunlich weiträumig, sie können -zig Quadratkilometer umfassen. Innerhalb des umzäunten Klostergeländes werden Lebensmittel zur Selbstversorgung angebaut: Kartoffeln, Getreide, Mais, Obst, manchmal auch Wein. Darüber hinaus engagieren sich die Klöster für Arme, Behinderte, kranke und alte Menschen. Jugendliche können eine handwerkliche und/oder schulische Ausbildung erhalten. Die koptischen Klöster sind nicht nur spirituelle, sondern auch soziale und kulturelle Zentren.
Schließlich verkörpern koptische Klöster alternative christliche Lebensformen sowohl zum Islam-geprägten Umfeld als auch zum gängigen Großstadtleben in Kairo. Sie sind beliebt, werden gern an Wochenenden oder zu Kurzurlauben besucht; Jugendliche fühlen sich im Schutz der Klöster ausgesprochen wohl, ganze Familien machen Ausflüge dorthin. Ein derart „überfülltes“ Areal wie das Paulus-Kloster, wo man auf den engen Wegen kaum noch aneinander vorbeikam, haben wir deutsche Besucher noch nicht kennen gelernt. Die Klöster „bewältigen“ diesen Zulauf von außen, indem sie große Gästehäuser bauen und an den Parkplätzen vor ihrem eigentlichen Eingang große moderne Kirchen errichten, in denen die Pilger ihre Gottesdienste feiern.
III. Die koptischen Wüstenklöster
Das Wadi El Natrun liegt etwa 100 km nordwestlich von Kairo. Man gelangt dorthin über die sog. Wüstenautobahn von Kairo nach Alexandrien. Das 36 km lange und etwa 10 km breite Tal in der sketischen Wüste war schon den alten Ägyptern und Römern bekannt für seine Salzseen und das aus ihnen gewonnene Natron, das bei ägyptischen Mumifizierungs-prozessen eine wichtige Rolle spielt. Während der römischen Christenverfolgungen flohen viele Ägypter im 3. und 4. Jahrhundert hierhin, um unbehelligt leben zu können. Ursprünglich hatte es im Wadi 50 bis 60 Klöster gegeben. Heute sind es noch vier, die „bespielt“ werden und die wir alle besucht haben:
Aber nicht nur in der Wüste, auch in Kairo gibt es koptische Klöster. In Alt-Kairo haben wir das Nonnenkloster Sankt Georg besucht. Wir wurden dort mit ausgesuchter Gastfreundschaft von der Abtissin in Empfang genommen. Auf engstem Raum beherbergt das Kloster das Grab des heiligen Georg, einen tiefen Brunnen und einen überraschend grünen Kreuzgang in der Steinwüste der Großstadt.
Am Stadtrand von Kairo liegt das Kloster Patmos, das von 80 Diakonissen betrieben wird. Es engagiert sich sozial für behinderte Jugendliche und alte Menschen. Außerdem befindet sich auf seinem Gelände eine internationale Schule, die in englischer Sprache vom Kindergarten bis zum Abitur führt.
Schließlich liegen in der arabischen Wüste östlich von Kairo in der Nähe des Roten Meeres die ältesten Klöster Ägyptens. Dort haben wir das Antonius- und Paulus-Kloster besucht. Im Antonius-Kloster hat der Gründer des Mönchtums Antonius (251-356) rund 50 Jahre seines Lebens verbracht. Seit jener Zeit sprudelt eine Wasserquelle am Fuß des Galala-Felsplateaus und erhält die Oase am Leben. Die zahlreichen Mönche leben in einer dorfähnlichen Gemeinschaft, zu der auch ein Schatten spendendes Palmenfeld gehört.
Das etwa 25 km weiter südlich gelegene Paulus-Kloster verdankt seinen Namen Paulus von Theben, auch „Paulus der Einsiedler“ genannt. Die Anlage stammt aus dem 5. Jahrhundert; sie wirkt enger und altertümlicher als das später restaurierte Antonius-Kloster. Die eigentliche Klosterkirche befindet sich unter der Erde, wo Paulus in seiner Höhle gelebt hat. Daneben liegt ein Refektorium aus altchristlicher Zeit und gegenüber steht eine Jahrhunderte alte Getreidemühle und eine Ölpresse für den Lebensunterhalt.
Am Abend dieses Tages lassen es sich einige Mitglieder unserer Gruppe nicht nehmen, im warmen Wasser des Roten Meeres zu schwimmen. Der Meeresboden ist am Strand mit spitzen Steinen übersät, aber angenehme Wellen und seltener Wind tragen wohltuend zur Erfrischung bei. –
Was ist das Geheimnis der koptischen Klöster, die heute wieder in voller Blüte stehen? Sie kennen jedenfalls gegenwärtig keine Nachwuchsprobleme. Im Gegenteil! In jedem Kloster leben mindestens 100 Mönche, im Paulus-Kloster sind es mehrere Hundert. Genaue Zahlen habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Im Paulus-Kloster ist die Auswahl daher auch am strengsten. Viele Bewerber werden schon an der Pforte, andere nach Tagen, Wochen oder Monaten abgewiesen. Ein Mönch braucht in Ägypten eine abgeschlossene Berufsausbildung und Militärdienst, berufliche Erfahrung und möglichst auch Erfolg. Er soll sich freiwillig von seinem „guten“ weltlichen Leben trennen und nicht, um im Kloster ein „besseres“, Leben zu erhalten. Bischof Damian erläutert uns: „Wer in seinem weltlichen Leben keinen Erfolg hat, scheitert auch im klösterlichen Zusammenleben.“
Zweitens sind die Klöster in Ägypten für ihre soziale Ausstrahlung bekannt. Ihre Areale sind erstaunlich weiträumig, sie können -zig Quadratkilometer umfassen. Innerhalb des umzäunten Klostergeländes werden Lebensmittel zur Selbstversorgung angebaut: Kartoffeln, Getreide, Mais, Obst, manchmal auch Wein. Darüber hinaus engagieren sich die Klöster für Arme, Behinderte, kranke und alte Menschen. Jugendliche können eine handwerkliche und/oder schulische Ausbildung erhalten. Die koptischen Klöster sind nicht nur spirituelle, sondern auch soziale und kulturelle Zentren.
Schließlich verkörpern koptische Klöster alternative christliche Lebensformen sowohl zum Islam-geprägten Umfeld als auch zum gängigen Großstadtleben in Kairo. Sie sind beliebt, werden gern an Wochenenden oder zu Kurzurlauben besucht; Jugendliche fühlen sich im Schutz der Klöster ausgesprochen wohl, ganze Familien machen Ausflüge dorthin. Ein derart „überfülltes“ Areal wie das Paulus-Kloster, wo man auf den engen Wegen kaum noch aneinander vorbeikam, haben wir deutsche Besucher noch nicht kennen gelernt. Die Klöster „bewältigen“ diesen Zulauf von außen, indem sie große Gästehäuser bauen und an den Parkplätzen vor ihrem eigentlichen Eingang große moderne Kirchen errichten, in denen die Pilger ihre Gottesdienste feiern.
IV. Die Kirche der 21 Märtyrer
Während unserer Reise zu den koptischen Christen haben wir viel über Märtyrer erfahren. Das beginnt mit dem Schutzpatron der koptischen Kirche, dem heiligen Markus, an dessen Schrein in der Krypta der Kairoer Markus-Kathedrale wir gesungen und gebetet haben. Im Kloster bei den Römern sind wir Moses, dem Schwarzen, begegnet: er war ein äthiopischer Räuberhauptmann mit Mord und Totschlag, der bei einem Überfall auf ein Kloster von der friedlichen Lebensweise der Mönche dort zum Christentum bekehrt und schließlich zum Leiter von 70 Mönchen bestellt wurde, einer Zahl, die in etwa der Größe seiner früheren Räuberbande entsprach. Heute ist er bei Afro-Amerikanern in den USA besonders beliebt. Der Soldat und Einsiedler Menas, der während der diokletianischen Christenverfolgung den Märtyrertod erlitten hat, ist durch die Ikone „Christus und sein Freund Menas“einem großen Kreis bekannt geworden.
Am 22. September erinnern wir in unserem Reisebus an Mauritius zu dessen Gedenktag nach dem westkirchlichen Kalender. Mauritius stammt aus Theben in Oberägypten. Nach der Legende war er Anführer der thebäischen Legion. Als sie während der diokletianischen Verfolgung um 300 die Alpen überqueren soll, um gegen Christen zu kämpfen, weigern sich die Soldaten. Daraufhin werden auf Befehl des Kaisers die 6600 Angehörigen der thebäischen Legion ohne Gegenwehr hingerichtet. Der Schweizer Ort St. Moritz liegt in der Nähe dieses blutigen Geschehens; Mauritius ist im Klosters Saint Maurice im Schweizer Kanton Wallis begraben. Nördlich der Alpen sind zahlreiche Kirchen wie der Magdeburger Dom dem Mauritius geweiht, während er in der koptischen Kirche Ägyptens erst im 20. Jahrhundert bekannt und vor wenigen Jahren in den dortigen Heiligenkalender aufgenommen worden ist. Msgr. Wilm Sanders nennt die Verehrung des heiligen Mauritius das Antirassismusprogramm der Kirche im Mittelalter. –
Am letzten Tag unserer Reise fahren wir in das kleine Dorf El Our bei der Stadt Salamut, etwa 100 km südlich von Kairo, zur „Kirche der 21 Märtyrer“. Aus diesem Dorf stammen die meisten der 21, die am 15. Februar 2015 an der libyschen Mittelmeerküste von IS-Terroristen ermordet wurden. Es waren einfache Arbeiter, zwischen 25 und 45 Jahren alt, die meisten Analphabeten, 10 verheiratet, die anderen nicht, die als Wanderarbeiter in Libyen den Lebensunterhalt für ihre ägyptischen Familien verdienten. Ein Ghanese, der erst durch seine Arbeitskollegen Christ geworden war, gehörte auch dazu. Die Arbeiter befanden sich auf dem Weg zu ihren Familien in Ägypten, als sie gefangen genommen wurden. Sie sollten Christus abschwören und sich zu Allah und Mohammed bekennen. Als die in ihrer Frömmigkeit tief verwurzelten Christen sich allesamt weigerten, wurde ihre Hinrichtung beschlossen. Ihre Hände wurden auf dem Rücken gefesselt. Einer nach dem anderen wurde jeweils von einem islamischen Terroristen an den Strand des Mittelmeers geführt. Dort mussten alle niederknien und einer nach dem anderen wurde von dem jeweils hinter ihm stehenden Mörder enthauptet. Das von den Terroristen selbst angefertigte Video ging um die Welt; es wurde teilweise auch im deutschen Fernsehen gezeigt. Einzelheiten des Verbrechens und seiner Opfer hat Martin Mosebach in seinem sehr lesenswerten Buch festgehalten: „Die 21. Eine Reise ins Land koptischer Märtyrer“ (rororo 27 333, 2021).
Die große, in der flachen Umgebung weithin sichtbare Kirche aus weißem Beton, wurde zum Gedenken an die 21 Märtyrer auf Veranlassung von Staatspräsident El-Sisi innerhalb von drei Jahren errichtet. Auf dem Hof gleich hinter dem stattlichen Eingangstor begrüßt den Besucher eine lebensgroße Skulpturengruppe mit den 21, die alle klar erkennbare Gesichter haben, einen Heiligenschein tragen und unter den ausgebreiteten Armen eines überlebensgroßen Christus Schutz finden. Die Darstellung erinnerte mich unwillkürlich an das Denkmal von Janusz Korczak mit den Kindern, die er umfasst, auf dem Gelände von Jad-wa-Schem in Jerusalem.
In der Unterkirche stehen unter einer Glasdecke 21 leere braune Holzsärge. Vor jedem einzelnen Sarg ist ein Foto des Hingerichteten mit seinem Namen und einer Märtyrerkrone aufgestellt. Auf dem Kopfende jedes Sarges liegen 5 rote Rosen und in der Mitte von ihnen eine weiße. Neben jedem Sarg liegt die damalige Öl- und Teer-verschmierte Arbeitskleidung des Getöteten, darunter ein neuer orangefarbener Overall. Als ich vor einem der Särge versunken stehe, höre ich einen jungen Mann auf Englisch: „Er war mein Freund, seine drei Kinder leben bei uns im Dorf.“
Die erst nach drei Jahren zurückgebrachten Gebeine der Märtyrer befinden sich heute alle zusammen in einem großen Schrein, der im Altarbereich steht. Dahinter sind auf der Wand im Altarraum die Gesichter aller 21 Getöteten zu sehen, über denen der rot, weiß und goldfarben gemalte Pantokrator seine Hände und Arme ausbreitet. Eine ergreifende Szene!
Bischof Damian breitet ebenfalls seine Arme aus und spricht verschiedene Fürbitten für Lebende und Verstorbene vor dem Schrein, die wir mit dem Kiewer Kyrie beantworten. Dann singen wir dort im Angesicht der Ermordeten und ihrer Angehörigen oder Freunde: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ und „Großer Gott, wir loben Dich“. Mancher ringt um seine Fassung. Bischof Damian lädt uns ein, in stillem Gebet am Schrein der Märtyrer für die Überwindung der Kirchenspaltungen vor Gott einzutreten.
Dabei herrscht keine Totenstille in der Kirche, fast das Gegenteil. Die vielen Erwachsenen und Kinder in der Unterkirche haben sich uns nur teilweise angeschlossen. Andere laufen herum, unterhalten sich unbefangen, einige lachen auch, ich bemerke sogar Fangen spielende Kinder. Das zeigt: die hier versammelten Menschen sind mit den Särgen und ihren Märtyrern vertraut. Sie sind stolz auf sie; man spürt nicht die geringste Atmosphäre von Rache. Die 21 Ermordeten sind zu Helden und Heiligen in Gottes Reich geworden, die den Lebenden Nähe, Kraft und Mut verleihen. Eine derartige Mischung von tiefem Ergriffensein und heitere Entspannung habe ich noch nicht erlebt.
Anschließend gehen wir in die Oberkirche mit Platz für rund tausend Menschen. Bischof Damian sagt: Sonntags findet man hier keinen leeren Sitz. In den sechs modernen Glasfenstern auf jeder Seite stehen jeweils lebensgroß zwei Märtyrer, die mit ihren Gesichtern klar erkennbar sind. Sie sind ikonographisch dargestellt, halten große grüne Palmenzweige in der rechten Hand und tragen eine Märtyrerkrone. Auf dem Glasfenster vorne links lächelt der linke Märtyrer den Betrachter an… Im Fenster daneben bricht der sein Kreuz tragende Christus zusammen, im gegenüberliegenden Fenster auf der rechten Seite erstrahlt der Auferstandene. Alle riesigen Glasfenster in der großen Märtyrer-Kirche machen einen hellen, fast heiteren Eindruck. Ihr Anblick ist erschütternd und erhebend zugleich.
Auf dem Innenhof nehmen uns die einheimischen Menschen gern in Empfang: Sie reichen uns ihre Hände, fassen uns an, einige umarmen: alle sind fröhlich und freuen sich über unseren wohl angekündigten Besuch. Wir werden anfangs von Pfarrer Epiphanius und seinen Helferinnen mit erfrischendem Wasser, Tee und Kakao bewirtet. Hinterher sitzen wir auf einer Terrasse bei mondscheinsichtigem Brot samt Käse und Kaffee zusammen. Mit den uns umgebenden Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und einigen Alten können wir uns leider nicht unterhalten, weil die wenigsten Englisch sprechen. Anstelle dessen merken wir die Kraft der Gesten. Bischof Damian kommt kaum vom Fleck, weil er überall umringt wird zum Segnen, Sprechen, Küssen oder Fotografieren… Eine jugendliche Gruppe singt unentwegt auf der Terrasse. Es herrscht eine gesammelte, aufmerksame, dankbare und heitere Stimmung draußen auf dem Innenhof. Es ist eine Begegnung zwischen Himmel und Erde .
Die segensreiche Wirkung der 21 Märtyrer ist hier mit Händen zu greifen. Heute wird dieses Dorf, das früher auf keiner Landkarte verzeichnet war, von Pilgern aus der ganzen Welt besucht. Es ist der lebendige Beweis für die Wahrheit der alten christlichen Erfahrung:
„Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.“
Montag, 19.09.2022
Vormittags Anreise zum Flughafen Frankfurt am Main;
nachmittags Flug von Frankfurt am Main nach Kairo;
Transfer zum Wadi Natrun; Übernachtung in „Anafora“
Dienstag, 20.09.2022
Gespräch mit Bischof Thomas, dem Leiter des Bildungs-
zentrums „Anafora“; Besuch des Minas-, Baramous- und
Makarios-Klosters; Übernachtung in „Anafora“
Mittwoch, 21.09.2022
Vormittags Besuch der Klöster Anba Bishoy und Deir al Suryani; nachmittags Rückfahrt nach Kairo; auf dem Weg Besuch der Pyramiden von Gizeh; Übernachtung im St. Markus-Haus, Nasr City
Donnerstag, 22.09.2022
Besuch von Alt-Kairo (Hängende Kirche, Koptisches Museum, Nonnenkloster, Synagoge, Zitadelle), des Ägyptischen Museums und Neu-Kairo (neue Kathedrale), Übernachtung im St. Markus-Haus
Freitag, 23.09.2022
Fahrt in die östliche Wüste und an das Rote Meer; Besuch des Antonios- und des Paulus-Klosters; Übernachtung in der Residenz des Paulus-Klosters
Samstag, 24.09.2022
Fahrt nach Assiut; Übernachtung im Kloster Deir el-Muharraq (Marienkloster)
Sonntag, 25.09.2022
Koptische Sonntagsliturgie im Kloster Deir el-Muharraq (Marienkloster); anschl. Fahrt nach Samalot (Kirche der 21 koptischen Märtyrer); Übernachtung in Al Our
Montag, 26.09.2022
Besichtigung von N.N. (Ort, wo die Hl. Familie war); Rückfahrt nach Kairo über Übernachtung im St. Markus-Haus, Nasr City
Dienstag, 27.09.2022
Vormittags Rückflug von Kairo nach Frankfurt am Main
Koptisch-Orthodoxes Kloster
Täglich von 8:00 bis 20:00 Uhr.
Eintritt frei! (Spenden willkommen)
Sprechzeiten Kloster-Sekretariat:
Montag bis Freitag 8:30 bis 12:00 Uhr
Kloster-Führungen und Mahlzeiten bitte im Vorfeld anmelden.
Mittwoch von 9:30 – 10:30 Uhr.
Freitag von 9:30 – 10:30 Uhr.
Sonntag von 10:00 – 12:00 Uhr.
St. Markus Restaurant
Freitag bis Sonntag ab 17:00 Uhr
Montag bis Donnerstag Ruhetag
Telefon: 05271 / 40 06 531
Koptisch-Orthodoxes Kloster der Heiligen Jungfrau Maria und des Heiligen Mauritius e.V.
S.E. Bischof Anba Damian,
Diözesanbischof von Norddeutschland
Propsteistraße 1a,
D-37671 Höxter-Brenkhausen
Telefon: (05271) 18905
Fax: (05271) 36742
Mobil: (0172) 5643647
E-Mail: Bischof@koptisches-kloster-hoexter.de
Koptisch-Orthodoxes Kloster Brenkhausen e.V.
Sparkasse Paderborn-Detmold-Höxter
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