NRW-weite Gedenkfeier zum Volkstrauertag in Marienmünster

18. November 2024

NRW-Ministerin Ina Scharrenbach hält die Gedenkrede. Und es sind diese besonderen Momente in der ehemaligen Abteikirche, die zeigen, dass der Tag auch nach mehr als 100 Jahren nichts an Aktualität und Bedeutung verloren hat.

Neue Westfälische vom 18. November 2024)
Von Simone Flörke

Marienmünster/Kreis Höxter. Es waren vier besondere Momente, die anrührten, die emotional waren und die damit nicht vergessen werden: Als die Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs an der Gesamtschule Brakel die Weltkriegs-Feldpostbriefe als „Fenster zur Seele“ verlasen, wurde aus Millionen Toten ein persönliches Schicksal, ein Mensch. Als sie mit den Zahlen „Zehn – Zehn – Sieben – Zehn – Drei“ an die 60 jüdische Leben aus fünf Städten im Kreis Höxter erinnerten, die von den Nazis deportiert und ermordet wurden, wurde aus der unfassbaren Zahl von Millionen getöteter Juden in der Shoa Menschenleben in der unmittelbaren Nachbarschaft. Als Trompeter Holger Darabas von der Orgelempore das Stück „Ich hatt’ einen Kameraden“ spielte, spätestens da war Gänsehaut angesagt. Und als Monsignore Andreas Kurte die geistlichen Abschlussworte sprach und danach eine einzelne Kerze in der Kirche in Marienmünster entzündete, nachdem er die Menschen in den Kriegsgebieten von der Ukraine über Gaza und Libanon bis Israel sowie jeden einzelnen Angehörigen ins Gebet eingeschlossen hatte, da war das ein Symbol dafür: dass Waffen gestoppt, das Töten und Sterben überall auf der Welt beendet und ein Zeichen der Hoffnung auf Frieden leuchten solle.

Vier Momente einer Gedenkstunde zum Volkstrauertag, die NRW-weit zentral in Marienmünster gefeiert wurde. Vor der Feier in der Kirche hatten die Ehrengäste mit Landtagspräsident André Kuper, Ministerin Ina Scharrenbach, Volksbund-Landesvorsitzenden Thomas Kutschaty, General Hans-Dieter Müller vom Landeskommando NRW sowie als Gastgeber Bürgermeister Josef Suermann und Landrat Michael Stickeln in aller Stille am Ehrenmal in Bredenborn Kränze niedergelegt. Kränze des Gedenkens zum Volkstrauertag, der nach der Feier in der Kirche nichts von seiner Aktualität und Bedeutung verloren hat. Zuvor ging’s zum Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, abschließend für mehrere Hundert Gäste zu Gesprächen und Empfang in den Konzertsaal.

Landtagspräsident Kuper betonte, dass aus dem 1922 erstmals gefeierten Volkstrauertag für die Opfer der Weltkrieg längst ein europäischer Tag geworden sei, der in verschiedenen Ländern und unter verschiedenen Namen begangen werde. Er erinnerte an die Allerheiligenfeier in der Ukraine mit Hunderten Kerzen an einem Gräberfeld vor allem junger Menschen. Und an die 26 Jahre junge Irina, eine Sanitätssoldatin dort, die mehrerer Dutzend Menschen gerettet habe, bevor ihr Rettungswagen auf eine Mine fuhr. Der Volksbund sei ein Gedächtnis und gebe würdevollen Raum für diese Lebensgeschichten. „Aber er kann ihnen die Leben nicht zurückgeben.“ Das mache deutlich, „wie wertvoll und erstrebenswert Frieden ist. Jede Geschichte weist uns die Richtung, mahnt zum Handeln und verhandeln.“ Es sei Auftrag, dies allen jungen Menschen in Europa als Halt und Richtung mitzugeben.

Geschichte, sagte NRW-Ministerin Ina Scharrenbach, sei die beste Lehrerin. Auch wenn Fotos verblassten. Das größte Glück, nach dem Menschen streben könnten, sei die Freiheit. Und noch sei das Leben von vielen Menschen nur wenige Flugstunden entfernt in diesen Tagen von Unsicherheit und Ängsten bestimmt. „Das ist nicht weit. Das ist real.“ Niemand wisse, was aus den Kindern des Krieges einmal werde. Denn jeder Mensch gehe mit dem, was er erfahren und erlitten habe, anders um. Eben nicht immer heile die Zeit alle Wunden. „Deshalb ist die Arbeit des Volksbundes so wichtig.“ Denn die sei mehr als die Pflege von mehr als 830 Kriegsgräberstätten.

Sie biete die Chance, Hände zu reichen für Verständnis, Frieden und Freiheit. Ihr Dank ging an alle Ehrenamtlichen in Vereinen und Verbänden, an die Soldaten, die Frieden verteidigten und Freiheit sicherten, an die Schüler, die diesen Auftrag mit Leben füllten. Und an alle die in der Gesellschaft, die mit Respekt vor anderen Völkern und Religionen über Politik und Staat hinaus aktiv die Zeit nutzten, um Prioritäten im Leben gerade heute wieder geradezurücken. Deshalb so Scharrenbach, sei der Volkstrauertag heute vielmehr ein „Volksaufmerksamkeitstag“ für Demokratie, Zusammenleben, Frieden und Freiheit. Thomas Kutschaty als Landesvorsitzender des Volksbundes sprach die Worte des Gedenkens.

Zum Volkstrauertag

„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern u die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, u die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind.

Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.

Wir trauern mit allen, die Leid tragen, um die Toten und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“